Zu Kapitel V.:
Ein umstrittener Klassiker: "The Deer Hunter" (1978)

Einleitung
Gibt es Antikriegsfilme?
Der Vietnamkrieg
Verdeckte Kritik in Filmen der 60er
Heimkehrerfilme
The Deer Hunter
Apokalypse Now
Vietnam-Trilogie Oliver Stone
Individuum und Militär
Gardens Of Stone
Besondere Morde im Krieg
Drei Filme von Barry Levinson
Ein "schmaler Grat"
A Bright Shining Lie
Going Back — Vietnamtourismus?
Krieg als US-Staatskunst
Tagebuch & UN-Charta
Verlag, Autor, Unterstützer

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Das Jahr, in dem Jimmy Carter ins Weiße Haus einzieht, bringt den so lange tabuisierten Kriegsschauplatz Südostasien endlich ins Kino. Der eigentliche Vietnam-Kriegsfilm gewinnt Konturen. Alle wesentlichen Stereotypen klingen bereits an, wenn Sidney J. Furie in "THE BOYS IN COMPANY C" (1977) eine bunt zusammengewürfelte Truppe der Marines von der Rekrutierung über die brutale Militärausbildung bis hin zum Fronteinsatz begleitet: Drogen, Sex, Geschlechtskrankheiten, Guerillakampf, Leichensäcke und Football-Spiel an der Front. Der Truppenruf der selbstbewusst gemeinen "Boys" wird uns später immer wieder in Vietnamfilmen begegnen: "We are the biggest, badest, meanest mother-fuckers in the valley!" Ein Tabuthema berührt der Film dort, wo ein US-Soldat seinen vorgesetzten Offizier zu ermorden versucht. Stefan Reinecke resümiert: "Wenn die eigenen Vorgesetzten nicht permanent falsche Befehle geben würden und die vietnamesischen Verbündeten keine korrupten, sadistischen Untermenschen wären, dann wäre dieser Krieg eine Art Abenteuerurlaub." Kritischer beleuchtet "GO TELL THE SPARTANS" (1978) von Ted Post die Fragwürdigkeit des US-amerikanischen Engagements in Vietnam um 1964. Die Botschaft: Es ist sinnlos, was wir hier treiben! Die Schutzmacht USA verkörpert gleichwohl die Anständigen und eine zivilisierte Moral. Sie scheitert mit ihren Idealen, weil es im Dschungel Leute wie den grausamen "Cowboy" gibt, einen südvietnamesischen Verbündeten.

Der Blick auf vietnamesische Opfer, ein maßgebliches Kriterium im kritischen Paradigma, fehlte in Heimkehrerfilmen wie "COMING HOME". Er fehlt auch im ersten großen Erfolgsfilm, der die Vietnamfront berücksichtigt: in Michael Ciminos "THE DEER HUNTER". Dort allerdings ist das Defizit aufgrund einer ganz anderen Anlage der Filmstory sehr zu beklagen. 1978 erhielt "THE DEER HUNTER" den Oscar für den "besten Film". Die formalen künstlerischen Leistungen Ciminos sind unbestritten. Die heftige Kritik an der einseitigen, zum Großteil verzerrenden Perspektive dieses Vietnamfilms trat der Anerkennung jedoch sehr bald zur Seite. Sie führte 1979 unter anderem dazu, dass fast alle osteuropäischen Delegationen die Berliner Filmfestspiele verließen. US-Veteranen fühlten sich hingegen von der Geschichte des Films angesprochen. Jan Scruggs bekannte, sein ehrenamtliches Engagement für das zentrale Denkmal zur Ehrung der Vietnam-Veteranen in Washington sei maßgeblich durch den Film "THE DEER HUNTER" ausgelöst worden.

Der Geschichte und den "Drehbuchtexten" dieses Films ist in "Napalm am Morgen" ein ausführliches Kapitel gewidmet. Sein kritischer Ertrag besteht vor allem darin, die zerstörerischen Auswirkungen des Krieges auf Gesellschaft bzw. Menschen der Vereinigten Staaten zu zeigen.


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