Zu Kapitel XV.:
Der Krieg, die Staatskunst und das subversive Hollywood

Einleitung
Gibt es Antikriegsfilme?
Der Vietnamkrieg
Verdeckte Kritik in Filmen der 60er
Heimkehrerfilme
The Deer Hunter
Apokalypse Now
Vietnam-Trilogie Oliver Stone
Individuum und Militär
Gardens Of Stone
Besondere Morde im Krieg
Drei Filme von Barry Levinson
Ein "schmaler Grat"
A Bright Shining Lie
Going Back — Vietnamtourismus?
Krieg als US-Staatskunst
Tagebuch & UN-Charta
Verlag, Autor, Unterstützer

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"Die Rolle der Medien in der gegenwärtigen Politik zwingt uns zu der Frage, in was für einer Welt und in was für einer Gesellschaft wir leben wollen, und vor allem, in welchem Sinn diese Gesellschaft demokratisch verfasst sein soll."
Noam Chomsky

"Ich gehöre einer Generation an, die mit Krieg aufgewachsen ist. Wir haben in die Gesichter der Männer geblickt, die aus Vietnam zurückkehrten. Und auch deshalb haben wir gegen diesen Krieg protestiert."
Hollywood-Schauspieler George Clooney, Februar 2003

Kriege, in denen Abertausende und Millionen Menschen leibhaftig sterben, sollten in der Erinnerung des Weltpublikums nicht als phantasierte Geschichte hängen bleiben. Deshalb bieten politische und historische Kategorien eine unverzichtbare Perspektive für die Kriegsfilmkritik. Manche der in im Buch "Napalm am Morgen" vorgestellten Filmtitel mögen inszenierte Heilungsgeschichten sein. Wenn in ihnen der Protest gegen das Verbrechen des Krieges nicht zum Verstummen gebracht wird, verdienen sie unter dem Gesichtspunkt des kritischen Paradigmas dennoch unser Wohlwollen. Jenes US-Filmkapitel, das in der Tradition von "THE GREEN BERETS" (1968) nach 1975 gezielt eine rückwirkende Propaganda für den Vietnamkrieg betreibt, haben wir bewusst ausgeklammert. Dazu gehört der mit Militärhilfe gedrehte Gefechtsfilm "HAMBURGER HILL" (1987); er wird bis heute dreist als "Antikriegsfilm" beworben und transportiert in vielen Passagen die Legende vom Verrat der so genannten Heimatfront. Ein Jahr später reduziert Jeff Bleckner mit "MY FATHER, MY SON" die gesamte chemische Kriegsführung in Vietnam zynisch auf ein Agent-Orange-Melodrama, dessen Blickwinkel am Gartenzaun einer US-Militärsfamilie endet. Noch vor dem zweiten Golfkrieg erscheint 1989 "FLIGHT OF THE INTRUDER". An dieser unsäglichen Produktion waren neben dem U.S. Department of Defense nahezu alle Waffengattungen beteiligt. Sie enthält eine späte Apologie der US-Bombenangriffe auf Nordvietnam. Zwei heldenhafte Piloten nehmen 1972 in vorauseilendem Gehorsam die nochmalige Eskalation des Luftkriegs unter Richard Nixon vorweg. Das Weltbild ist weit entfernt von einer Gleichheit aller Menschen und begünstigt die vorherrschenden Amnesien in der Gesellschaft. Anfang der 90er Jahre schätzen an einer Umfrage beteiligte US-Amerikaner die Zahl der Todesopfer des Vietnamkrieges auf durchschnittlich 100.000, während allein die offiziellen Zahlen von 2 Millionen ausgehen. Passend zu den neueren Kriegen in Afghanistan und im Irak befördert Ende 2001 der wesentlich "anspruchsvoller" produzierte Titel "WE WERE SOLDIERS" ein Heldenideal, das die gesamte Geschichte des kritischen Vietnamfilms negiert. Nicht einmal im Ansatz scheint es jetzt noch nötig zu sein, so etwas wie eine Rechtfertigung für den Vietnamkrieg zu bieten. Der Film lief bei uns in den Kinos unter der äußerst treffenden Überschrift "Wir waren Helden" und ist im Nachspann mühelos als Co-Produktion von Hollywood und Pentagon zu identifizieren.

Das Kino ist mit solchen Filmen kein freier Kulturraum mehr. Es ist vielmehr verkommen zu einem staatlich subventionierten Initiationstempel für nationale Mythen und zur propagandistischen Geschichtsfälscherwerkstatt. Wichtige, vom Pentagon geförderte Propagandatitel der 1990er Jahre, aber auch Lebenszeichen aus dem "kritischen Hollywood" nennt das Schlusskapitel von "Napalm am Morgen".


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